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Bogner, Dieter: Im Licht des Monitors


Im Licht des Monitors

Dieter Bogner

1.
Die Reflexion auf das Konzept einer Ausstellung bringt oft Überraschungen mit sich. Während der monatelangen Vorbereitungsphase erfolgt die konzeptionelle Auseinandersetzung mit der Auswahl und der Zusammenstellung der Objekte zumeist unter dem Druck des sich unerbittlich nähernden Eröffnungstermins. Im Anschluß daran gewinnt man nicht selten sehr rasch eine durch den zunehmenden zeitlichen Abstand bestimmte Distanz zu den ursprünglichen Überlegungen. Dafür war im vorliegenden Fall schon deshalb gesorgt, weil die Produktion des Katalogs erst aus der ersten Station im Horner Kunstverein hervorgehen sollte. Der folgende Text ist somit nachträglich verfaßt worden und reagiert auf Gespräche, Analysen und vor allem auf den visuellen Tatbestand, wie er sich in den Ausstellungsräumen bot.

Die von Wulf Herzogenrath und Edith Decker konzipierte Ausstellung Video-Skulptur. Retrospektiv und aktuell, 1963-1989, die 1989 in Köln, Berlin und Zürich zu sehen war, sowie die Beschäftigung mit der Konzeption und Errichtung eines "Medienforums" im Rahmen des künftigen "Museumsquartiers Wien« wirkte als Anregung, einige Aspekte des momentanen Stands, der in Österreich unter dem Begriff Video-Kunst subsummierten Kunstproduktionen zusammenzustellen. Die während der Auswahlphase geführten Diskussionen brachten ein Abrücken von der Dominanz der Begriffe Video-Kunst oder Video-Skulptur und die Wahl des Titels Im Licht des Monitors mit sich. Noch nicht völlig im Klaren über die durch die Kombination der dreizehn Arbeiten in theoretischer und begrifflicher Hinsicht geschaffene Problematik, erscheint auf dem Plakat groß der Begriff Video, zwar getrennt von den Worten Skulpturen, Installationen, Bänder, doch durch die typographische Gestaltung trotzdem so markant, daß das Medium Video zwangsläufig als zentraler Bestimmungsfaktor der Ausstellung betrachtet werden muss.

Im Lauf der Arbeit an dem folgenden Katalogbeitrag und der damit verbundenen Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von angewandter Technologie, inhaltlichem Konzept und formaler Ausführung erwies sich die Zusammenfassung der Arbeiten unter dem Begriff Video-Kunst oder Video-Skulptur endgültig als fragwürdig. Bei einigen Werken stellte sich die Verwendung des Wortes Video - außer im Rahmen der rein technischen Beschreibung - als sinnlos heraus. Um relativ neutral zu bleiben, können nur Formulierungen wie Wandinstallation, Bodenobjekt mit Monitor, Licht-Raum-Installation mit Videoprojektor weiterhelfen. Vereinzelt können durchaus die Begriffe Video-Plastik oder Video-Objekt Verwendung finden, doch keinesfalls als übergreifender Terminus. Auf Grund dieser Sichtweise erwies sich auch die spannende Kölner Präsentation konzeptionell als ein signifikantes Beispiel für die Problematik thematischer Großausstellungen. Die Notwendigkeit, einen gemeinsamen Nenner für eine große Zahl höchst unterschiedlicher Werke zu finden, zwingt dazu, vom Individuellen des einzelnen Objekts extrem zu abstrahieren. Letztlich wird dann alles mit allem kombinierbar und der ursprünglich angestrebte ordnende Eingriff in die Vielfalt der Phänomene läuft auf eine Scheinordnung hinaus, unter deren dünner Decke die Vielschichtigkeit und Differenziertheit - insbesondere in inhaltlicher Hinsicht - verborgen bleibt. Schon die dreizehn unter dem Anspruch eines Einblicks in die österreichische Video-Kunst-Szene ausgewählten Arbeiten (ergänzt um einige Beispiele aus der Band-Produktion) lösen den umfassenden Gültigkeitsanspruch der Begriffe Video-Kunst und Video-Skulptur auf und erzwingen für jedes Werk, in weichem in irgendeiner Art elektronische Bilderzeuger und/oder Bildträger Verwendung finden, eine grundlegend neue Standortbestimmung im diachronen wie synchronen Feld der gesamten Kunstproduktion. Die Ausstellung bietet somit keine Antwort, sondern stellt viele Fragen.

2.
Es sind nicht technische Erfindungen an sich, die künstlerisch richtungsweisende Phänomene hervorbringen, sondern oftmals resultieren Veränderungsprozesse in der Kunstgeschichte aus der Symbiose latenter künstlerischer Ideen mit revolutionären Technologien. In diesen Fällen ermöglichten neue technische Instrumentarien eine adäquatere Visualisierung gegebener ideeller Konzepte, als dies mit konventionellen Mitteln der Fall gewesen wäre. Wenn hier auch für das Primat der Idee vor der Technologie plädiert wird, so sollte nicht übersehen werden, daß die jeder Technik und jedem technischen Gerät inhärente formale Struktur und die durch den alltäglichen Gebrauch entstandene inhaltliche Besetzung einen nicht unbedeutenden Einfluß auf das Möglichkeitsfeld und die Entwicklung des künstlerischen Gestaltens ausüben und als Katalysatoren für neue Ideen wirken können. Zu unterscheiden sind von diesen produktiven Fällen jene 11 Erzeugnisse, in welchen der Begeisterung über ein neues technisches Medium keine innovative formale wie inhaltliche Leistung gegenübersteht, sondern es sich allein um deren Anwendung auf traditionelle Ideen handelt.

Eine dieser Revolutionen war die Erfindung der Ölmalerei im frühen 15. Jahrhundert. Die neue Technik entsprach dem Ziel führender Künstler jener Zeit, einen hohen Grad an Realitätsillusion und Detailgenauigkeit zu erzielen. Auch die Einführung des mit Leinwand bespannten Rahmens, der die Holztafel als revolutionär neuer Bildträger ablöste, brachte eine wesentliche Zäsur in der Kunstproduktion der Neuzeit mit sich. Heute stellt sich die Frage, ob das elektronisch erzeugte Bild eine ähnliche Bedeutung für die zukünftige Kunst erlangen wird, oder ob langfristig alles "beim alten« bleibt.

Während die Ölmalerei im Rahmen der Kunstproduktion entwickelt wurde, steht die Erfindung des elektronischen Bildes in keinem Zusammenhang mit dieser. Sein Auftreten gehört aber zweifellos zu jenen technischen Neuerungen, die tiefgreifende Auswirkungen auf die Realitätsrezeption der Menschen ausgeübt haben und in noch unbekanntem Maß ausüben werden. In den vergangenen drei Jahrzehnten brachte die Femseh- und Videotechnik sowohl als Medium der Live-Berichterstattung als auch als Mittel zur beliebigen Reproduktion von Bildkonserven eine unfaßbare Erweiterung, Dynamisierung und Verfügbarkeit der Bildwelt mit sich. Als weiteres entscheidendes Merkmal ist das Phänomen der leichten Manipulierbarkeit der Bildinformation zu werten, das zu den zentralen Wesensmerkmalen der elektronischen Medien gehört. Das elektronische Bild wird - zumindest aus heutiger Sicht - das Bildmedium der Zukunft sein, an dem die Kunst nicht vorbeigehen kann, außer sie beharrt auf den traditionellen Positionen oder entwickelt ein völlig anderes, heute noch unbekanntes Ausdrucksmittel oder Aktionsfeld.

Nach Jahrhunderten des Malens auf Holz, Leinwand oder Papier verfügen die Künstler erstmals über einen völlig neuen Bildträger, dessen Möglichkeiten und Grenzen noch lange nicht ausgelotet sind, vor allem auch wegen der rasanten Entwicklung des Zugriffs auf die Quantität und der enormen Verbesserung der Qualität der Bildinformation. Wenn einmal dünne hochauflösende elektronische Bildträger die Wände, zieren« und jedes gewünschte Bild in originaler Größe und mit hoher Präzision zu Hause wiedergegeben werden kann, wird die Diskussion über die Bedeutung der Einzigartigkeit des Originals und über die unendliche Reproduzierbarkeit des Kunstwerks mit neuer Brisanz aufflammen. Es wird bald selbstverständlich sein, im Museumsshop das "ganze" Museum mit tausenden auf einer Bildplatte gespeicherten Kunstwerken zu erwerben und mit nach Hause zu nehmen (vom TV-Heimmuseum hat schon der österreichische Architekt Friedrich Kiesler in den späten zwanziger Jahren in New York geträumt). Niemand weiß noch, was der einzelne Käufer mit dieser handlich gespeicherten Bildermenge anfangen wird, die sich nicht mehr dafür eignet, einer Bücherwand ein repräsentatives Aussehen zu verleihen, einer der markanten Qualitäten dicker Hochglanz-Bildbände. Wichtig für die unbeschränkte Verfügbarkeit dieser Reproduktionstechnik ist die im allgemeinen Bewußtsein verankerte Gewißheit, daß es das eine unersetzbare Original tatsächlich gibt, selbst wenn es für den Einzelnen unerreichbar im Depot des Museums verborgen bleibt, oder es dieses zumindest einmal gegeben hat. Demgegenüber werden Ressentiments gegen Kunstwerke, die ausschließlich als elektronisch gespeicherte Datenmengen auf einer Diskette, einer Bildplatte oder einem Band existieren und deren Aktivierung grundsätzlich eines Bildschirms bedarf, noch längere Zeit bestehen bleiben. Der hohen Akzeptanzquote von Musik-Clips steht die Distanz und das daraus resultierende Mini-Minderheitenprogramm des Kunst-Videobands gegenüber. Gegen die mehrere tausend Jahre alte Tradition des haptischen materiellen Kunstgegenstands hat das auf eine kaum dreißigjährige Geschichte zurückblickende immaterielle elektronische Bild einen schweren Stand. Über die Langzeitauswirkungen des Monitor-Zeitalters auf die künstlerische Produktion und die Rezeptionsweise von Kunst lassen sich daher bestenfalls Spekulationen anstellen, sicher aber keine fundierten Aussagen machen.

3.
Im Vordergrund der ersten öffentlichen künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Monitor stand nicht die gestalterische Nutzung des neuen bildnerischen Potentials; es handelte sich vielmehr um eine politisch motivierte, kritische Stellungnahme zu diesem magisch' leuchtenden Kommunikationsobjekt und dessen rasantem Einzug in die traditionelle Wohnatmosphäre. Statt Bilder zu gestalten, störte« Nam June Paik 1963 in der ersten Ausstellung, in der er Fernsehmonitore präsentierte. mit verschiedensten Hilfsmitteln das Monitorbild. Der Aktionismus der Fluxus-Bewegung mit seinem neo-dadaistischen und antiästhetischen "Zerstörungspotential", verbunden mit Bildvorstellungen der abstrakten Malerei (denn letztlich ist Paiks Zen for TV, 1963, auch eine Art "abstrakter" Gestaltung) bildete das Umfeld für diesen manipulativen Umgang mit dem elektronischen Medium.

Der kunsthistorischen Literatur zufolge setzt mit der Ausstellung Paiks im Jahr 1963 die Geschichte der Video-Kunst ein'. Diese kunsthistorische Kategorisierung trifft aber nicht zu, wenn als Video-Kunst jene gestalterischen Phänomene bezeichnet werden, die die neue Technologie zur elektronischen Aufzeichnung, Bearbeitung und Wiedergabe von Bildern benutzen. Bei Paiks ersten Arbeiten oder Wolf Vostells ebenfalls 1963 inszeniertem TV-Begräbnis handelt es sich hingegen um medienkritische Aktionen, sicher aber nicht um Video-Kunst und bei den Produkten nicht um Video-Skulpturen, sondern um aktionistische "Objekte".

Ein wesentlicher Bereich eigentlicher Video-Kunst tritt erst einige Jahre später in Erscheinung und zwar zu dem Zeitpunkt, als Künstler die ersten tragbaren Aufzeichnungsgeräte erwarben und damit Video-Bänder gestalteten. Wiederum war es Nam June Paik, der auf diesem Gebiet einen ersten Schritt setzte. Die Unhaltbarkeit der Subsummierung aller Produkte, die aus der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Monitor hervorgegangen sind, unter den Begriff Video-Kunst erweist sich bereits an der grundsätzlichen Verschiedenartigkeit dieser beiden Ansätze: Die Behandlung des Monitors als Objekt und die gestalterische Nutzung der neuen Aufnahme- und Wiedergabetechnik weist abgesehen von der materiellen Ähnlichkeit der benutzten technischen Geräte keine grundlegenden Gemeinsamkeiten auf, die eine enge begriffliche Verknüpfung sinnvoll erscheinen ließen. Eine aus inhaltlichen Überlegungen entwickelte Differenzierung jener künstlerischen Erscheinungsformen der vergangenen Jahrzehnte und vor allem auch der Gegenwart, in die in irgendeiner Weise Monitore, Kameras oder Player integriert sind, ist heute dringender notwendig denn je, da es sich dabei um einen wesentlichen Aspekt der Rezeption handelt.

Im allgemeinen Umgang hat es sich eingebürgert, Kunstwerke mit dieser technischen Ausstattung aber höchst unterschiedlicher formaler, technischer und konzeptioneller Art in Bausch und Bogen in einen Topf zu werfen und als scheinbar geschlossenen Bereich von anderen Kunstgattungen abzugrenzen. Zu den negativen Auswirkungen dieser oberflächlichen Betrachtungsweise gehört beispielsweise, daß es eigene Förderungsstellen für VideoKunst gibt, an die völlig gedankenlos alle jene Werke verwiesen werden, die irgendwie mit elektronischen Bildern zu tun haben, selbst dann, wenn sie in der künstlerischen Gesamtkonstellation nur eine untergeordnete Rolle spielen. Ausstellungen wie die im Kölner Kunstverein, oder ihre "kleine Schwester« in Horn, verbessern zwar den Informationsstand und auch die Akzeptanz, verstärken aber die historisch gewachsene isolationistische Tendenz. Eine ClosedCircuitInstallation hat mit einem am Computer generierten Videoband trotz der Ähnlichkeit des verwendeten technischen Geräts zumeist ebenso wenig zu tun wie eine Installation von Kienholz mit einem konstruktivistischen Bild. Der Begriff Video-Kunstwerk sagt in den meisten Fällen über das solcherart bezeichnete Produkt nicht mehr aus, als die traditionelle technische Katalogbeschreibung Öl auf Leinwand oder Bleistift auf Papier oder Eisenblech geschweißt.

Wenn Romana Scheffknecht das Licht eines kleinen Monitors zur Beleuchtung eines winzigen Hausmodells benützt (aus der Serie Über natürliches Licht), so hat dies mit VideoKunst offensichtlich nichts zu tun. Es handelt sich auch um keine VideoSkulptur, sondern um ein plastisches Objekt (Objekt mit LCD-Monitor), das sich in kritischer Art mit einem zeitgenössischen Lichtphänomen auseinandersetzt und aus inhaltlicher Hinsicht in den Traditionsstrang der oben erwähnten Paikschen fernsehdistanzierten Monitormanipulationen gehört.

Simon Wachsmuths Arbeit o.T. 1990 setzt den hinter einer planen, schwarz beschichteten Glasfläche verborgenen Monitor zur Gestaltung eines zweidimensionalen Bildes mit bewegtem raumillusionistischem Zentrum ein. Eine solche Arbeit gehört konzeptionell in die Tradition kinetischer Lichtkunstwerke der sechziger Jahre und ist in der gängigen kunsthistorischen Kategorisierung dem Bereich Bildkunst zuzurechnen. In diesem Sinn interpretiert, verbindet zunächst nur die Tatsache, daß in jedem der beiden Werke ein Monitor vorkommt, Wachsmuths Wandobjekt mit Peter Weibels Imaginärem Kubus. Daß es sich jeweils um eine Auseinandersetzung mit formalen Strukturen handelt, die auf konstruktiv gestaltendem Denken basiert, ließe sich über die technische Beschreibung hinaus als weiteres verbindendes Element geltend machen. Damit ist aber auch der künstlerische Zusammenhang bezeichnet, in dem diese Arbeiten einmal untersucht und präsentiert werden könnten.

Werden die äußerlichen, rein technischen Gemeinsamkeiten als Kriterium für die Zusammenfassung unter einem gemeinsamen Nenner beiseite geschoben, öffnet sich der Blick für kunsthistorische Zusammenhänge. Dies gilt zum Beispiel für jene Arbeiten, die mit Sprache arbeiten. So ließe sich das Spiel mit den Begriffen ICON/COIN, das die BOX I von Gudrun Bielz und Ruth Schnell bestimmt, in eine Traditionslinie mit Marc Adrians der Op-Art zugerechneten Hinterglasmontagen stellen, von denen einige im Umfeld der visuellen Poesie der sechziger Jahre entstanden sind und Bildtexte zeigen, die sich - auf Grund des Zusammenwirkens des Industrieglases mit dem dahinter liegenden bemalten Relief - im Vorübergehen verändern (REGEN-LEGEN-LABIL, 1965).

Valie Exports Horner Installation, die mit zwei Begriffen arbeitet (PING/PONG), steht in Zusammenhang mit ihren Sprachkonzepten der frühen siebziger Jahre (EBBE/FLUT), ein Umfeld, in dem unter anderem auch Peter Weibels Augentext von 1973/74 entstanden ist. Dem künstlerischen Umgang mit Sprache eröffnen die elektronischen Mittel neue Möglichkeiten. Neu ist, abgesehen vom Einsatz des Monitors als Bildträger, die Steuerungstechnik, mit deren Hilfe bisher nur schwer oder überhaupt nicht realisierbare Programme erstellt werden können. Dies gilt nicht nur für die BOX I/II von Bielz/Schnell, sondern in besonderem Maße auch für das Concrete Computer DisPlay Valie Exports, ein umfangreiches raumbezogenes Projekt, das in der Homer Ausstellung nur als Skizze realisiert wurde .4) Im Vergleich mit den erwähnten älteren Sprach-Arbeiten ist die auf Grund der spezifischen Struktur des Bildträgers gegebene Vergänglichkeit der Bilder interessant: Der Sandstrand bei Export, die Augenlider bei Weibel und die elektronisch erzeugte Lichtfläche bei Bielz/Schnell.

Kein konzeptioneller Zusammenhang besteht zwischen diesen Arbeiten und Helmut Marks Wandobjekt Red Heat, in dem er sich mit dem Simulationssyndrom des Monitor-Zeitalters auseinandersetzt. Er läßt eine sich bruchlos wiederholende Folge romantischer Sonnenaufgänge und Sonnenuntergänge auf dem Bildschirm eines Monitors ablaufen, der vor einem "erblindeten" Fenster steht.
Renaissancekünstler haben mit ihren im 15. Jahrhundert neu gewonnenen bildtechnischen Mitteln den vorgetäuschten Blick auf eine außerhalb des Raumes liegende ideale Landschaft aug die Spitze getrieben. Sie setzten dabei auf den durch die neue technische Fertigkeit ermöglichten Täuschungs- und in der Folge thematisierten Überraschungseffekt. Mit diesem Phänomen arbeitet Franz Xaver, wenn er Besucher beim Blick durch das in eine Tür
eingebaute Doppelokular mit der Rückenansicht eines scheinbaren Besuchers vor einer Tür konfrontiert, wobei er durch die Überlagerung von zwei verschiedenen Video-Aufnahmen einen überraschenden Räumlichkeits- und Plastizitätseffekt erzielt.

Helmut Marks computergeneriertes Bildgeschehen ist weit davon entfernt, durch künstlerische Täuschungsstrategien die Illusionswirkung der neuzeitlichen Malerei erreichen zu wollen. Im Licht seines Monitors leuchtet die banale Schein- und Ersatzrealität der mediatisierten Welt. Weder ein künstlerisches Bild noch eine mit den neuesten technischen Mitteln erzeugte Illusion der Wirklichkeit wird dem Zuschauer vorgesetzt, sondern eine auf ein Mindestmaß reduzierte Zeichenkombination für "romantischer Blick auf stimmungsvolle Landschaft".

Während Weibel die Interaktion des Betrachters mit dessen in einem virtuellen Raum eingeschlossenem Abbild inszeniert und die scheinbare Möglichkeit eines physischen Einstiegs in das "System" vorführt (Mensch "im" Monitor) und damit die Illusionslust der Renaissancekünstler potenziert, problematisiert Mark die Tendenz zur unbewußten und unreflektierten Überlagerung der wirklichen mit der elektronischen Realität (Mensch "vor' dem Monitor), beschwört also die Gefahren der Realitätsillusion (des Realitätsersatzes). Diese inhaltliche Auseinandersetzung mit den alltäglichen Formen des Umgangs mit dem Monitor gehört zur Kategorie der medienkritischen Konzepte, die die elektronische Bilderzeugungsstruktur nicht als Material für künstlerisches Gestalten benützen, sondern vielmehr auf deren Problematik verweisen. Demgegenüber arbeitet Peter Weibel mit den ureigensten technisch-formalen Möglichkeiten des Mediums und zwar auf Basis strukturell-konstruktiver Ansätze, die sich in Österreich bereits im Experimentalfilm der fünfziger und sechziger Jahre markant äußerten. Bei Weibels Imaginärem Kubus handelt es sich um ein klassisches Video-Kunstwerk, denn keine andere Technologie ermöglicht eine vergleichbare interaktive Integration des Betrachters in das Kunstwerk.

Weder der einen noch deranderen Konzeption ist die TV-Mühle von Karl Kowanz zuzurechnen. Thematisiert wird die "Darstellung" kreisender Bewegung und zwar mit zwei grundsätzlich verschiedenen künstlerischen Techniken: Die dünngliedrige, aus tischähnlichen Teileinheiten zusammengeschraubte statische Aluminiumkonstruktion erweckt allein durch die formale Konstellation den Eindruck einer in der Vertikalen kreisenden Bewegung. Im Achsenzentrum ist ein Monitor eingestellt, dessen Bildschirm so verstellt ist, daß das darauf ablaufende Geschehen nur von der Seite eingesehen werden kann. Rechteckige Farbformen wandern kettenartig über den aus der erzwungenen Perspektive als gewölbte Fläche erfahrbaren Schirm, bei dessen Bildgeschehen es sich um den Ausschnitt aus einer raumgreifenden kreisenden Bewegung zu handeln scheint. Auf völlig andere Art wird somit die Illusion zweier ineinander verschränkter kreisender Bewegungsabläufe erzielt. Dabei bezieht sich die spezifische räumliche Kombination der Aluminiumtische auf traditionelle Formen der Bewegungsdarstellung in der bildenden Kunst, während die visuelle Verknüpfung der Wölbung des Monitorschirms mit den darauf erscheinenden Formen eine überraschende Nutzung der technischen Gegebenheiten des Monitors darstellt. Nicht irgendwelche Möglichkeiten des Videos thematisiert Karl Kowanz in dieser Arbeit, sondern er behandelt Grunderfahrungen der Bewegungsdarstellung in der Kunst mit grundlegend verschiedenen technisch-formalen Mitteln und steht damit in der Tradition der Reflexion auf primäre künstlerische Gestaltungsmöglichkeiten. In diesem Sinn handelt es sich weder um eine Video-Skulptur noch um ein Video-Objekt, denn mit gleichem Recht könnte die Arbeit als Aluminium-Plastik oder als kinetisches Objekt bezeichnet werden, sondern einfach um eine Plastik.
Nach dem Einwurf einer Münze zeigt der Blick durch das Okular des Öko-Voyeurs von Stoph Sauter einen Bauern beim Heuen, begleitet von Ausschnitten eines romantischen Musikstücks. Auch hier handelt es sich um kein Video-Kunstwerk. Die Tatsache, daß die Wiedergabe der Szene mit Hilfe eines Video-Players erfolgt, hat nichts mit dem Inhalt zu tun, sondern ist ein rein technisches Hilfsmittel, das letztlich auch durch eine Filmschleife oder eine Dia-Sequenz ersetzt werden könnte. Kommt bei Kowanz dem Monitor noch eine unverzichtbare formale Bedeutung für die Arbeit zu, so erfüllt er bei Sauter eine rein funktionelle Aufgabe.
Völlig anders leuchtet wiederum in Richard Kriesches Arbeit das Licht des Monitors. Der grünliche Schimmer der tomographischen Körperschnitte, die in gleichmäßiger Abfolge am Bildschirm erscheinen, läßt im Betrachter gar nicht den Verdacht aufkommen, daß es sich um das Medium Video handelt, mit dem er sich konfrontiert sieht. Es ist im oben beschriebenen Sinn zwar eine elektronische Bildaufzeichnung (Computertomographie) und deren Wiedergabe auf dem Monitor, doch erfolgt diese übe einen Computer und nicht mittels Video-Kamera und Player. "Entmaterialisiert' in Weibels Installation der Fluß der Elektronen den physischen Menschen und bringt ihn in einen virtuellen Raum ein, so bezieht sich Kriesches mit kritischer lronie auf die in der mediatisierten Welt fortlebenden, kulturgeschichtlich traditionsreichen Diskussion über den Sitz und die Konsistenz der Seele im Körperraum. Die digitalisierten Schnitte durch seinen eigenen Körper, der mechanische Ablauf und der technisch-klinische Charakter der Bilder geben einen bedrückenden Kommentar zum Thema der Immaterialität der Seele und des elektronischen Mediums. Es wäre vorschnell und oberflächlich, Kriesches konzeptuelle Installation statt der Video- der Computer-Kunst zuzurechnen. Der samt Tastatur und Verkabelung unprätentiös zur Schau gestellte PC ist in diesem Fall nicht nur technisches Produktionsmittel für Bilder, sondern auch als symbolträchtiges Objekt ein inhaltlich wesentlicher Bestandteil der Arbeit. Verglichen damit, handelt es sich bei den technischen Geräten, die Weibel für seinen Imaginären Raum einsetzt, um inhaltsneutrale Elemente.

4.
Rein äußerlich ist der Arbeit Weibels und Kriesches gemeinsam, daß es sich um Installationen handelt deren materielle Präsenz (technisches Gerät) keinen Anspruch auf formale Gestaltung und ästhetische Qualitäten erhebt. Helmut Marks aus Holz und schwarzem Acrylglas gefertigtes und mit einem Monitorausgestattetes Wandobjekt Red Heat weist demgegenüber eine geschlossene, bearbeitete Form auf. Diese ist ebenso wie das verwendete Material und dessen präzise Bearbeitung von konstitutiver Bedeutung für die visuelle und die inhaltliche Existenz des Werks. Red Heat gehört im Sprachgebrauch der achtziger Jahre zur Kategorie der Video-Skulptur (besser: Video-Plastik), obwohl die Video-Technik nur eine untergeordnete Rolle als technisches Wiedergabemedium für ein am Computer hergestelltes und animiertes Bild spielt. Die Bezeichnung Wandobjekt mit Monitor entspricht hingegen den objektiven Tatsachen.

Die Closed-Circuit-Installationen der siebziger Jahre mit ihrem rein konzeptionellen Ansatz brachen bewußt mit der Ästhetik konventioneller Kunstwerke. In der Entwicklung der vergangenen zehn Jahre hat sich insofern eine wesentliche Änderung vollzogen, als die Medientechnologie in zunehmendem Maß in Formzusammenhänge integriert wurde, die wieder wesentliche Merkmale der traditionellen Kategorien des Kunstwerks aufweisen. Dies gilt für die erwähnte Arbeit von Helmut Mark ebenso wie für den Diskreten Simulator von GRAF+ZYX, den E-Zyldop 1 von Helmut Rainer und die BOX I/II von Bielz/Schnell. Diese Werke fügen sich in die durch die Frühphase der Moderne bestimmte Vorstellung von »plastischen« Objekten. In Rainers Arbeit kommt dem einem "Auge" gleichenden integrierten Monitor eine zentrale Bedeutung zu, doch nur in unauflöslicher und unveränderbarer Verbindung mit der aus Stahlplatten geformten, schlank emporwachsenden dreidimensionalen Form. Demgegenüber kann Wachsmuths Wandobjekt, wie bereits oben erwähnt, der Bildkunst zugerechnet werden, denn nur die plane Fläche und das illusionistische Spiel der bewegten flächigen Elemente ist bildwirksam, nicht aber die dreidimensionale Form. Bei Sauters ÖkoVoyeur sind keinerlei plastische Formprobleme wesentlich, sondern das Objekt ist ein "designter" Funktionsträger für einen bestimmten konzeptionellen Inhalt.

In einer Zeit, in der interdisziplinäres und grenzüberschreitendes Denken und Handeln groß geschrieben wird, mögen solche Unterscheidungen als Haarspalterei erscheinen; sie sind aber für die über das Konzept der Video-Kunst zu führenden Diskussion von Bedeutung.

Parallel zur Wiederaufnahme traditioneller Werkkategorien im Bereich der mit elektronischen Mitteln arbeitenden Kunstwerke stellte sich in weit größerem Ausmaß als je zuvor eine Akzeptanz der Produkte durch Sammler und Galerien ein. Der Bruch mit den konzeptionellen entauratisierten ("unverkäuflichen«) Installationen der siebziger Jahre führte in den achtziger Jahren zu Objekten, die sich wieder in die jahrhundertealten Mechanismen im Umgang mit Kunst einfügen ließen. Dieser Entwicklung kommt entgegen, daß die neuen Gerätegenerationen wesentlich kleiner, leichter bedienbar und betriebssicherer sind als ihre Vorgänger. Sie können fest in die Objekte eingebaut werden, sind daher unsichtbar und lassen sich ohne weitere Einstellmanöver allein durch Anstecken an die Steckdose in Betrieb nehmen. Wo die Formgebung diese Integration ermöglicht, erinnert nur mehr das Stromkabel an die eingebaute Technik, und auch dieses läßt sich in günstigen Fällen verbergen.

Mit dieser Entwicklung wurde die oftmals ganz bewußt herausgestellte Distanz der konzeptionellen Video-Installationen zur traditionellen Bildkunst und Plastik gebrochen und ein neues Kapitel im künstlerischen Umgang mit den elektronischen Bildträgern eröffnet.

Diese Tendenz hat aber auch den Typus der Video-Installationen erfaßt und zu markanten Veränderungen geführt. Sie verwandelten sich von visuell durch die, nackte« Technik bestimmten Installationen im Raum zu durchgestalteten multimateriellen Rauminstallationen. Ein prägnantes Beispiel dafür ist Peter Weibels in den frühen achtziger Jahren entstandener ÖsterreichRaum (1982), eine Closed-Circuit-Installation, in der das formale Raum-Flächen-Prinzip des Imaginären Kubus durch eine präzise Komposition räumlich verteilter Gegenstände nicht nur zu einem Raumganzen entwickelt wurde, sondern vor allem auch eine enorme inhaltliche Aufladung erfahren hat.

Während die neue Generation der Video-Objekte sicherlich unter anderem auf Grund ihrer nunmehr leichteren Handhabbarkeit in zunehmendem Maße in die ständigen Museums-Sammlungen integriert werden, sind autonome Video-Bänder in vielen Museen weiterhin zu einem Schattendasein in isolierten Bereichen verurteilt, da Abspieleinrichtungen zumeist nur in abgelegenen Studioräumen, nicht aber im Bereich der allgemeinen Sammlungsräume zur Verfügung stehen. Der latente Widerstand gegen das gleichwertige Nebeneinanderstellen des elektronisch gespeicherten und reproduzierten und des traditionell gebiIdeten Kunstwerks wurde nur dort gebrochen, wo es sich der gewohnten äußeren Formen bediente.

5.
In Anbetracht der ungelösten begrifflichen und theoretischen Probleme, die der eingeführte Begriff Video Kunst im Rahmen der konzeptionellen Diskussionen während der Vorbereitung dieser Ausstellung aufgeworfen hat, entstand der nunmehrige Titel: Im Licht des Monitors. Im Licht des Monitors enthüllt sich dem Betrachter die neue Bildrealität des elektronischen Mediums. Der Monitor zieht aber nicht nur den Blick des Betrachters in eine unendliche dynamische Tiefe, sondern er hüllt ihn und seinen Umraum in ein unwirkliches Licht. Ein spätabendlicher Gang durch eine Siedlung verweist auf die Präsenz dieses, das endende 20.Jahrhundert weltweit prägende Lichtphänomen, ein Aspekt, auf den Romana Scheffknechts oben erwähnte Arbeit Bezug nimmt. Gegenüber diesem Beleuchtungseffekt blickt der Betrachter der Arbeit von Helmut Rainer in das aus ineinander geschachtelten Kreisformen gebildete tiefgründig leuchtende, pulsierende Auge des "Zyklopen".

Nicht einmal der Monitor ist ein alle Arbeiten verbindendes Element dieser Ausstellung, denn Romana Scheffknecht verwendet einen Videobeam. Die von diesem ausstrahlenden verschiedenfarbigen Lichtbündel, die gegenständliche Bildinformationen transportieren, werden durch Spiegel gebrochen an die Wände und die Decke projiziert, treffen aber auch auf ein aus gestaffelten Glasplatten gebildetes Objekt, in dessen Raum sich die Licht-Bild-Reflexe sammeln.

Heute, da diese Art von Kunstwerken eine zunehmende Verbreitung findet, sollten diese nicht auf Grund ihrer technischen Eigenheiten zu einer eigenen Kunstgattung zusammengeschlossen, sondern allein auf Grund ihrer formalen und inhaltlichen Eigenschaften in historische und zeitgenössische Zusammenhänge eingereiht werden. Es gilt, die durch die Frühgeschichte des künstlerischen Umgangs mit dem Monitor und dem elektronischen Bild entstandenen Ab- und Ausgrenzungen zu überwinden und den Werken den ihnen im allgemeinen Geschehen zustehenden Platz ebenso selbstverständlich zuzuweisen wie einem Werk mit der technischen Beschreibung Acrylmalerei auf Leinwand. Die Frage, die sich in Zukunft dabei stellen wird, ist, ob in Kunstausstellungen die Bedeutung des Bildschirms als Bildträger mit jener der Leinwand (oder funktionell vergleichbaren Materialien) in welcher technischen Ausführung und ausstellungstechnischen Konstellation auch immer konkurrieren kann und welche Bedingungen geschaffen werden müssen, um eine Gleichheit zu erzielen. Bremsend wirken sich tief verwurzelte Traditionen aber auch der Kostenfaktor sowie die Notwendigkeit eines technisch geschulten Betreuungspotentials aus, für das im tagtäglichen Museums- und Ausstellungsbetrieb noch selten Vorsorge getroffen wird. Eine zeitgemäße museologische Konzeption müßte auf der gleichen Ebene traditionelle Bilder und Plastiken mit Videobändern und Video Installationen sowie mit allen Arten von elektronischen Bildträgern kombinieren. Welche ausstellungstechnischen und ausstellungsästhetischen Barrieren gegenüber einer solchen Zusammenstellung noch heute bestehen, ist beim Gang durch Galerien, Kunsthallen und Museen leicht erkennbar.

1) Wulf Herzogenrath. Videokunst. Ein neues Medium- aber kein neuer Stil. in: Videokunst in Deutschland. 1963-1982. Köln1982.S.15.
2) Herzogenrath (s. zit. Anm. 1). S. 26ff.
3)Kunst aus Sprache. Ausstellungskatalog Museum des 20. Jahrhunderts. Wien 1975. o.S.
4) Aus den sechziger Jahren stammt von Eugen Gomringer ein Werk der konkreten Poesie, das ebenfalls die Begriffe ping/ pong" in wechselnder Folge aneinanderreiht. Es bietet sich an, den unterschiedlichen Umgang mit den gleichen Begriffen zu vergleichen und daran die Frage nach dem jeweiligen inhaltlichen Moment zu stellen. (Eugen Gornringer. konkrete poesie. Stuttgart 1972. S. 56).

Publiziert in: Dieter Bogner (Hg.): Im Licht des Monitors, Videoband-Katalog, Kunstverein Horn, Horn 1990