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Lischka, Gerhard Johann: Gudrun Bielz und Ruth Schnell


Gudrun Bielz und Ruth Schnell

Gerhard Johann Lischka

Woher uns heute die Bilder und Zeichen ansehen, spielt eigentlich keine Rolle mehr, denn sie sind allgegenwärtig, und wir sind mittlerweile gewohnt, dass sie wie die Natur (oder anstelle der Natur) wild wuchern. Am eklatantesten ist diese Wucherung am Bildschirm zu beobachten, er zieht die Aufmerksamkeit Tag und Nacht auf sich, ist Sonne und Mond und Repräsentant/Schnittstelle der Realität. Er ist Sammelbecken aller für uns wichtigen Informationen, da sie ja erst die Realität, den Ausschnitt an Bedeutungen kanalisiert.

So kann der Monitor auch eine Schwelle sein, welche auf der Strasse zur Bewusstseinsbarriere wird, die den Fluss der Vehikel, den Drang nach der totalen Mobilität, stoppt. Ähnlich dem Monitor sind die Scheiben und Rückspiegel des Autos partielle Eingrenzungen und während der Fahrt die Umkehrung der Bewegung am Monitor, man ist bewegt. Diese beiden Formen des Verfalls der Zeit gehen nun dermassen ineinander über, dass man nicht mehr weiss, ob man sich selber bewegt oder ob uns die Bilder/Zeichen bewegt haben.

Die Videoschwellen sind deshalb eine Videoskulptur im Aussen wie im Innenraum (der ja der Raum des Monitors ist, ein Unraum), an dem die Zeichen als Repräsentanten der Welt diejenige Realität definieren, die als unweigerlich Gegebene erscheint.

In folgerichtiger Weiterentwicklung der Videoschwellen als allgegenwärtiger Umwelt ist dann der Planet Erde auch einer, der von aussen gesehen werden muss, da sein natürlicher Rhythmus ausser Kontrolle geraten ist. Wie ein Kranker, dessen Symptome beobachtet werden oder wie ein Punchingball, der viele Schläge einzustecken hat, auf den die Schläge niederprasseln, erscheint uns die Erde vom Orbit.

Von daher kommen aber auch viele der Programme, der Informationen, der Zeichen, die unsere Umwelt als global vernetzte ersichtlich machen. Nichts geschieht mehr nur an einem Ort ohne nicht auch seine Ausstrahlung oder Wirkung auf andere Orte zu haben. Damit entsteht ein äusserst labiles Gleichgewicht, das metaphorisch das Raumschiff Erde schon bei geringen negativen Einflüssen in Turbulenzen versetzt.

Die Bilder und Zeichen verfolgen uns einerseits von einem durchlässig gewordenen Territorium her genauso wie vom outer space, und andererseits konstituieren sie unsere brüchig gewordene Realität. Wir sind im besten Sinne des Wortes Produkte derjenigen Bilder und Zeichen in unserem Gehirn, nach denen wir unsere Welt kreieren. Die Schwelle, der Übergang ist das Interface, die Schnittstelle zwischen Innen und Aussenwelt, zwischen dem lebendigen Organismus, seinem symbolischen System und der Umwelt, die nur individuell wahrgenommen werden kann. Ein verspielter Umgang mit dem Interface ist dabei die Voraussetzung dafür, dass eine zwanghaft von aussen definierte Realität sich in subjektive Realitäten verwandelt.


Publiziert in:
Gerhard Johann Lischka (Hrg.) - Der entfesselte Blick - Symposion, Workshops, Ausstellung, Benteli Verlag, Bern 1993