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Plüschlove, 1984

Videotape
4´30 Min., Ton; Commodore C64 mit Digitizer und Grafiktablett, Animationen in Basic programmiert, Videokamera, U-matic lowband

In Koproduktion mit Gudrun Bielz


Liebesszenen aus zwei Filmklassikern werden mit dem Computer gerastert, überzeichnet, überdehnt und gequetscht, verlangsamt und beschleunigt. Plüschlove ist eine Montage von realen, digitalisierten (das heißt durch den Computer entstandenen) und durch den Computer modifizierten Bildern. Thema: Trivialliebe.

Peter Weibels Titelvorschlag: "Gefälschte Papiere".

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Wer die Wirklichkeit filmt, ißt seine Suppe brav, denn er hat jene vorgesetzt bekommen wie diese. Wer Filme, also Bilder der Wirklichkeit bearbeitet, und sie mischt mit künstlich vom Computer erzeugten Bildern, liefert eine Ahnung von der Künstlichkeit der Realität. Die digitale Manipulation von Filmbildern spricht von der Veränderbarkeit der Bilder und der Wirklichkeit. In dieser digitalen Bildwelt ist auch die Liebe nur ein kalter Fusel einer alten Welt.
Gefälschte Papiere sind die Bilder der Welt und der Liebe. Aber immerhin auch der energetische Charme der Simulation. In einer Welt, die ein Hotel ist, wo jeder nur einen kalten Abgang kennt, sind die gefälschten Pässe (der Überlebensphantasie, des Spiels, der Flucht, der Liebe) vielleicht noch die einzige Chance, der Wirklichkeit zu entkommen. Ich schätze, der eigentliche Titel des Videos von Bielz und Schnell ist: Gefälschte Papiere. Er verrät den wahren Charakter der Ästhetik, der Bilder, der Welt.

Peter Weibel


Klar, daß die Kybernetik der Anfang einer neuen Religion ist, die mit Star Wars ihre Apokalypse prophezeit. Dann freilich wirken Gudrun Bielz und Ruth Schnell wie zwei Atheisten, die in den Kathedralen der Technokratie heimlich schwarze Messen lesen. Das blasphemische Stichwort lautet: Demontage! Demontage der Bilder, Demontage der Realität.
Weil unsere Kultur unermüdlich eine Flut von überflüssigen Bildern generiert, die sich ständig und unaufhaltsam wiederholen, lkonen von Stars, Pin-ups, Models und gestylten Prototypen, die das Wirkliche und das Emotionale parasitär aufsaugen, deshalb stellt sich die Aufgabe, die ewige Jugend dieser unsterblichen Phantome effektiv zu zerstören.
Elvis ist dafür kein schlechtes Beispiel. Gleichfalls Plüschlove, der erste Computer-Trickfilm von Schnell und Bielz, hier werden Zitate aus Filmklassikern aus dem Kontext gerissen, verfremdet, umfunktioniert und überarbeitet. 39 Steps (von Hitchcock) und High Sierra (von Raoul Walsh, übrigens die erste Hauptrolle von Humphrey Bogart), beide Filme beinahe ein halbes Jahrhundert alt, bieten auch heute noch unübertroffene Szenen von männlich/weiblicher Sehnsucht, Nähe und Entfernung an. Diese Bilder werden gerastert, mechanisch zerlegt, elektronisch zusammengesetzt, gefärbt, überzeichnet, zerdehnt und beschleunigt … unheimlich witzige Etüden über unsere produzierten Vor-Bilder.
High Technology verspricht Profit, Macht und Bequemlichkeit, das elektronische Paradies. Unter den Händen von Bielz und Schnell wird die Elektronik unbequem und widerspenstig. Sie gebrauchen die omnipotenten Illusionsmaschinen, um die maschinellen Illusionen aufzurollen. Die Bilder werden entmaterialisiert, die Erscheinung löst sich in Schein auf. Die beiden Künstlerinnen berufen sich darauf, daß automatische Rechner, Bildschirme und Telekommunikation unseren Alltag unauffällig unterwandern. Warum also nicht mit dem Zeug hantieren, das uns überall vor der Nase liegt?

Friedrich Geyrhofer, in: Der blamierte Computer, Wiener, November 1985


Ausstellungen:
1986, Terminal Kunst, Ars Electronica 86, Linz (AT)