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Pichler, Cathrin: Einleuchten


Einleuchten steht immer für den Anfang, fürs Beginnen, für Vorspiel – Premiere vor der Premiere. Das Kunstprojekt mission of art leuchtet die Eröffnung des Neubaus der Akademie ein – ein Projekt, das aus nichts anderem als aus Licht besteht: Licht ist das Medium und Licht ist die Botschaft und nur als Licht zeigt es sich dem Betrachter. Den Ausgangspunkt bildet ein schmaler, vier Meter hoher Stab an der Fassade des Gebäudes. Im Inneren dieses Stabes verbirgt sich ein ungewöhnliches Aufschreibesystem: über eine binäre Codierung werden aus Leuchtpunkten Buchstaben geformt und Worte „geschrieben“. Die elektronische Wortfabrik ist zugleich eine Lichtfabrik, und Licht diktiert die Geschwindigkeit, in der „geschrieben“ wird, die Worte, derart aus Licht geformt, sind flüchtige Erscheinungen.

Die Emissionen des Leuchtstabes zeigen sich dem Betrachter nur in Bewegung, in den weiten Raum wie in die Luft geschrieben, leuchtet ein Wort im Vorbeisehen oder Vorbeigehen auf. Die wahrgenommene Botschaft ist eigentlich ein „Augenbild“ – sichtbar, weil das Auge hinter der Lichtbewegung zurückbleibt und die Botschaft so am Auge gleichsam „hängen“ bleibt.

Einleuchten ist ein altes Wort, es bedeutet auch ins Auge fallen, im Auge bleiben. Die Lichtbotschaften, die mission of art ausschickt, sind Worte von Künstlern der Akademie zur Neueröffnung – missions of artists.

Die Worte, die leuchtend den Raum um die Akademie besetzen, sind Zeichen zum Neubeginn, als Summe individueller Botschaften bilden sie eine eigene Architektur, zusammengesetzt aus Gedanken, Ideen, Erinnerungen, Reflexionen, vielleicht Sentimentalitäten usw., eine „virtuelle“ (neue) Akademie neben der neu erbauten. Die so aus Worten gebaute „virtuelle“ Akademie zeigt allerdings nichts anderes als die Persönlichkeiten, die ihr verborgenes Innenleben ausmachen, und zitiert so ihre lebendige Wirklichkeit. Einleuchten bedeutet in den Kopf gehen, verstehen, begreifen.

Konzipiert und entwickelt wurde das Projekt von der Künstlerin Ruth Schnell, in der aktuellen Realisierung technologisch unterstützt von Alexander Pausch und ausgestattet mit Wortbotschaften der Künstlerinnen und Künstler der Akademie der Künste, Berlin.

Cathrin Pichler, in: Folder zum Projekt mission of art, Berlin 2005