Anamorphe Installation
Maße variabel
Videoprojektor, Videorekorder, Videoband, Spiegelzylinder
Die Installation zeigt eine Projektion auf den Boden und anamorphotisch verzerrte Videosequenzen. Es handelt sich dabei um Archivmaterial von Fernsehberichten über Flüchtlinge in Ruanda und einen Bildausschnitt aus Brueghels Gemälde „Der Turmbau zu Babel“. Die BetrachterInnen stehen und gehen im verzerrten Bildbereich, sehen das entzerrte Bild im Spiegelzylinder, überlagert von ihrem eigenen verzerrten Spiegelbild. Der gekrümmte Endlosspiegel bildet einen eigenen Raum.
Es entsteht der Eindruck, dass die Bilder um den Zylinder kreisen. Ein kontinuierlicher Strom von Menschen zieht an den BetrachterInnen vorbei, die den Turm auf der einen Seite verlassen und auf der anderen Seite wieder betreten. Man kann den Spiegel umgehen, aber nicht „hinter“ ihn treten. Die Arbeit inszeniert einen Blick, der dem Spiegel nicht entkommt.
Babel (1992), das Work in progress Co-Verzerrung (1993) oder Fleckvieh und Kontinente (1994) (...) [übertragen] sämtlich mittels elektronischer Medien die mittelalterliche Technik der Anamorphose mit ihrem außerhalb des Bildes angesiedelten Blickpunkt auf das bewegte, durch die anamorphotische Verzerrung unendlich fragmentierte Video-Bild (...).
Wurde schon in der klassischen Malerei (z.B. Holbein) bei diesem Extremfall der „sanft-süßen Zentralperspektive” das „Betrachtersubjekt kalkuliert exzentrisch”, so kann sich das Bild nun, in der virtuellen Realität, vollends entkörpern und verflüssigen. Die Rolle des Betrachters wird hier explizit neu definiert. Denn erst durch seine kognitive Re-Konstruktion wird das Bild als Ergebnis von Bildkonstruktion nachvollziehbar – und damit der Prozeß des Sehens als unendlicher verstehbar.
Johanna Hofleitner, in: Ruth Schnell - Das Sehen re-konstruieren
Ausstellungen:
1996, Jenseits von Kunst, Ludwig Museum, Budapest (HU)
1997, Jenseits von Kunst, Neue Galerie Johanneum, Graz (AT)
2004, Patterns of Perception, California Science Center, Los Angeles (US)
Bibliografie:
=> Hofleitner, Johanna: Ruth Schnell – Das Sehen re-konstruieren. Publiziert in: EIKON - Internationale Zeitschrift für Photographie & Medienkunst, Heft 24, Triton Verlag, Wien 1998